Als die Zunft der Bauleute neu erwachte
Im Kriegsjahr 1941
Während der oft kritischen Monate und Wochen des Zeiten Weltkrieges sassen an den Samstagabenden im alten Hirschen öfters einige Zuger konservativer Observanz, Bürger und Beisassen, zu einem gemütlichen Plauderhock zusammen. Es wurde dabei oft in hoher Weltpolitik gemacht, ab der den alltäglichen Krimskrams des städtischen Geschehens vergass man darob nie. Man hörte dabei auf den Solothurner Emil Wyss, welcher stets neue, brühwarme Spionagegeschichten brachte, und boshafte Tischgenossen nannten ihn darob auch den "Spionage-Wyss". Er schöpfte sein zeitgenössisches Wissen meist aus der "Weltwoche", die er fast auswendig wusste. Er wurde dabei vom Zeitungsmacher Heinrich Bütler von den Zuger Nachrichten ergänzt, der stets das "Neueste" aus der Schweizerischen Depeschenagentur und dem deutschen "Signal" schöpfen konnte. Der Zuger Standesherr, Ständerat Dr. jur. Alphons Iten, plauderte aus der Berner Ratsstube und kannte auch die geheimnisvollen Fäden, welche in der Curia helvetica zusammenliefen. Bürgerrat Johannes Weiss aus der Oberwiler Leimatt wusste über die Wallfahrten im ganzen Schweizerland zu plaudern, wo er mit dem Generalabonnement der SBB hinfuhr und dabei seine Mitlandleute besuchte, die ihm als Armengut-Verwalter anvertraut waren. Er kramte aber auch geheimnisvolle Geschichten aus über den neuen deutschen Wallfahrtsoft Heroldsbach, der damals grosses Aufsehen erregte und die Gemüter beschäftigte. Über den Hirschen, die alte Gaststätte "zum Hirtzen", erzählte Baumeister und Kirchenrat Josef Kaiser und unterbreitete stets neue Umbaupläne, und so kaufte er beim Abbruch des Zürcher "Trocadero" eine mächtige Eichentüre. Da diese aber nicht in den Hirschen passte, wurde neben dem Hirschen-Buffet ein neues grosses Loch geschlagen, damit die ersteigerte Riesentüre hineinpasste.
Noch viele Politiker sprachen, die meisten Stammtisch-Leute aber hörten zu, staunten und gingen dann mit neuem Wissen schwer befrachtet nach dem Abendtrunk heim, um über den sonntäglichen Ruhetag das Gehörte zu verdauen. Bis zum nächsten Hock reichte es meistens aus, sonst aber sorgte der Chronist J.R. von Salis am Radio über neuen Betrachtungsstoff.Aus dieser Runde am Hirschentisch lasen Kirchenrat Kaiser und Ständerat Iten einige Gäste aus, und im oberen Hirschensäli sassen bald ein paar "Auserwählte" am Tisch, und Kirchenrat Josef Kaiser stellte eine dunkelbraune Holztruhe auf den Tisch, öffnete geheimnisvoll die alte Zunftlade der Zuger Bauleute und erzählte aus der Geschichte der einstigen Bruderschaft und Zunft. Josef Kaiser hatte diese Lade von seinem Freund und Wandergefährten Franz Weiss, der später als Stadtpfarrer von St. Michael von 1910-1934 wirkte. Franz Weiss wanderte als Drechsler nach der dreijährigen Lehre über Wattwil und Altstätten in die ewige Stadt Rom und fand dort seinen Priesterberuf. Josef Kaiser war sein Wandergefährte und später auch sein besorgter, baufreudiger Kirchenrat. Im übergab Franz Weiss die ihm vom Vater anvertraute Zunftlade der Bauleute, und zugleich bekam Josef Kaiser die Ansprache des letzten Zunftschreibers der Bauleute in einer Kopie. So verband sich die alte Zunft über des Stadtpfarrers Vater mit dem ersten neuen Zunftmeister der neu erwachten Bauleute-Zunft.
(aus Broschüre "Erinnerungen" 1981)